Demokratie trifft Demokratie

Am 20. März 2018 war Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier zu Gast an der Georg-Forster-Gesamtschule Wörrstadt. Begleitet wurde er von seiner Frau Elke Büdenbender, Ministerpräsidentin Malu Dreyer und ihrem Mann Klaus Jensen sowie der Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig. Die Modellschule für Partizipation und Demokratie war einer der Orte der Demokratie, die der Bundespräsident im Rahmen seiner Antrittsreise in Rheinland-Pfalz besuchte.

Gemeinsam Anpacken für ein einmaliges Erlebnis

Besuch von Politikerinnen und Politikern ist die Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt gewohnt. Als Modellschule für Partizipation und Demokratie ist es ihr wichtig, politische Themen in der Schule zu diskutieren, und sie lädt deshalb regelmäßig Gäste zu Veranstaltungen und Diskussionsrunden ein. Wenn sich aber plötzlich das Staatsoberhaupt gemeinsam mit der Ministerpräsidentin und der Bildungsministerin zum Besuch ankündigt, stellt das auch hier alles auf den Kopf. Wie können wir den Gästen in eineinhalb Stunden einen authentischen Einblick in die Schule ermöglichen, wenn der Tag doch alles andere als normal ist? Wie viel echte Schule soll gezeigt, wie viel dem Zufall überlassen werden? Diese Fragen ziehen sich durch die gesamten Vorbereitungen: „Uns ist es wichtig, die Schule so zeigen wie sie ist. Wir wollen kein Theater spielen – das war auch dem Bundespräsidenten ein großes Anliegen in der Vorbereitung“, berichtet Lehrer Clemens Brüchert, der als Koordinator der Modellschulen für Partizipation und Demokratie in Rheinland-Pfalz den Besuch vorbereitet. Also macht die Schule, was sie am besten kann: Sie setzt auf das Engagement aller Mitglieder der Schulgemeinschaft und beteiligt sie an den Vorbereitungen. Sie vertraut darauf, dass alle ihr bestes geben, und delegiert Verantwortung. Vor allem aber geht sie tolerant mit Fehlern und Problemen um.

So packen alle mit an, um den Besuch vorzubereiten: Die Schülerinnen und Schüler aus dem Schülerparlament zeigen mit Fotos und Statements, was die Schule, das Schülerparlament und das Recht, sich in die Gestaltung der Schule einzubringen, ihnen bedeuten. Rechtschreibfehler und krumme Sätze? Zeigen nur, dass die Statements echt sind und weder zensiert noch korrigiert wurden. Die Schülervertretung bereitet die Sitzung des Schülerparlaments vor, an der die Gäste teilnehmen werden. Die Themen, über die gesprochen werden soll? Natürlich die, die an dem Tag auch sonst auf der Agenda gestanden hätten. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, die präsentiert werden? Ebenfalls echt – auch wenn sich die Arbeitsgruppen vielleicht öfter getroffen haben als ohne den Besuch. Auf Säulen schreiben Schülerinnen und Schüler, was ihnen an ihrer Schule gefällt. Was sie schreiben soll, fragt Sophia Vertrauenslehrerin Julia Mohr, die ohne zögern antwortet: „Schreibt auf, was ihr wirklich denkt!“ Also schreibt Sophia nach kurzem Überlegen: „Unsere Schule ist demokratisch!“ Der Aufbau läuft auf vollen Touren, und in einem ruhigen Moment kommentiert die stellvertretende Schulleiterin Doris Holland die Vorbereitungen: „Es ist so schön zu sehen, wie alle an einem Strang ziehen und alles dafür geben, den Besuch für den Bundespräsidenten unvergesslich zu machen.“

Dafür gibt die Schule alles, und alle Schülerinnen und Schüler, die sich für die Schule engagieren, sind heute im Einsatz: Die musikalischen Schülerinnen und Schüler begrüßen den Bundespräsidenten mit Pauken, Streichern und Trompeten. Der Schulsanitätsdienst achtet auf die Gesundheit und hilft als Ordnerdienst. Das Catering für die insgesamt fast 150 Personen – Ehrengäste und ihre Mitarbeiter*innen, Sicherheitskräfte und Polizist*innen,  Journalist*innen und Kameracrews – übernehmen die Arbeitslehre-Kurse der Schule. Ob aus Eiern geschnitzte Mäuse oder aus Tomaten gebastelte Blumen: Die Schülerinnen und Schüler geben sich alle Mühe, um die Gäste liebevoll und lecker zu verwöhnen.

Eine musikalische Begrüßung

Kurz bevor der Bundespräsident ankommt, herrscht gespannte Vorfreude unter den Schülerinnen und Schülern, aber auch unter den Lehrkräften: Wie ist es, wenn eine so berühmte Person an die Schule kommt? Klappt alles wie geplant? Gefällt den Gästen, was die Schulgemeinschaft vorbereitet hat? Immer wieder beginnen Gruppen spontan zu klatschen, die ganze Schule vibriert vor Aufregung. Manch einer fragt sich wieso – schließlich habe der Bundespräsident den Ruf, sehr nett und zugänglich zu sein.

Plötzlich gehen nach und nach die Arme in die Höhe, langsam verebben die Gespräche. Das Ruhezeichen der Schule funktioniert auch in dieser Ausnahmesituation. Die Bläserklasse fängt an zu spielen: Endlich kommt der Bundespräsident.

Manche Töne mögen schief sein, aber der Bundespräsident sieht zufrieden aus. Lächelnd geht er auf die Schülerinnen und Schüler zu und dankt ihnen für den musikalischen Empfang.

Ein ausführliches Bad in der Menge

Kaum im Schulhaus, brandet tosender Applaus von allen knapp 1.000 Schüler*innen, Lehrkräften und Gästen auf, die die Gäste überschwänglich begrüßen. „Wir freuen uns alle riesig, dass Sie da sind!“, begrüßt Schulleiterin Beate Derr die Besucherinnen und Besucher. Die Freude scheint beiderseitig zu sein. Sofort gehen die Gäste auf die Schülerinnen und Schüler zu, begrüßen sie und verwickeln immer wieder kleine Gruppen in kurze Gespräche. Jeder Schritt wird in der Menge kommentiert: „Boah, der hat dem Paul die Hand gegeben!“, „Spricht der Bundespräsident gerade mit Steffi?“, „Ich will den Gästen auch die Hand geben!“ Etwas hinter dem Zeitplan winken die Gäste schließlich noch einmal der Menge zu, bevor sie zur zweiten Station des Besuches in einen Raum entschwinden.

Eine Sitzung des Schülerparlaments mit hohen Gästen

Dort ist die Sitzung des Schülerparlaments bereits in vollem Gange, und nur kurz unterbricht die Schülervertretung die Diskussion, um die Gäste willkommen zu heißen. Im Schülerparlament kommen monatlich die Vorsitzenden aller Klassenräte zusammen und vertreten als Abgeordnete die Interessen ihrer Mitschülerinnen und -schüler. Heute stehen zwei große Projekte auf der Agenda: Die Schülerinnen und Schüler bereiten einen „Tag für Akzeptanz und gegen Mobbing“ vor, an dem sich alle in der Schule mit diesem wichtigen Thema befassen können. Infostände, Workshops, Gesprächsmöglichkeiten mit Psychologen und vieles mehr ist geplant. In der heutigen Sitzung des Schülerparlaments stellen verschiedene Arbeitsgruppen ihre Ideen für den Tag vor, die sie in zahlreichen Sitzungen entwickelt und vorbereitet haben. Ernsthaft und zielstrebig werden die Ideen diskutiert, und der Tag nimmt langsam Gestalt an. Das zweite große Thema ist das 25-jährige Jubiläum der Schule, das die Schülerinnen und Schüler aktiv mitgestalten wollen. Gemeinsam sammeln sie Ideen, und der hohe Besuch hält sie nicht davon ab, sich frei und offen zu äußern – über 20 Wortmeldungen sorgen für eine konstruktive und lebendige Diskussion. „Das Schülerparlament haben wir als SV vor zwei Jahren vorgeschlagen und eingeführt, um die Kommunikation in der Schule zu verbessern. Als SV sind wir in alle Gremien der Schule eingeladen und sitzen so an der Quelle für die Entwicklungen an der Schule. Im Schülerparlament können wir diese aktuellen Themen, aber auch unsere Ideen und Vorschläge in alle Klassen geben, und bekommen viel schneller mit, was an der Schule los ist. Auch die Schulleitung kann so viel schneller erfahren, was die Schülerinnen und Schüler denken“, erläutert Schülersprecher Max. „Wir sind stolz darauf, dass das Schülerparlament heute ein fester Bestandteil der Schule ist. Die Schülerinnen und Schüler haben so viele Ideen, und es ist wichtig, dass unsere Anliegen und Meinungen für voll genommen werden“, verdeutlicht Schülersprecherin Giovanna, die in die 9. Klasse geht, und ergänzt: „Wenn das Schülerparlament so gut angenommen wird wie hier an der Schule, ist das viel wert. Mir macht es riesigen Spaß, mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten, sie zu vertreten und immer ein Ohr für ihre Anliegen zu haben.“ Damit nicht nur die Großen und Aktiven die Chance haben, ihre Anliegen einzubringen, legt das SV-Team viel Wert darauf, alle einzubinden. Deshalb ist es selbstverständlich, dass mit Jan aus der 6. Klasse auch ein Schüler der Unterstufe ein geschätztes und gleichberechtigtes Mitglied des SV-Teams ist. „Meine Meinung zu äußern und mitzubestimmen macht mir viel Spaß, und ich finde es toll, dass ich auch als Kleinster im Team ernst genommen werde. Viele Schüler kommen mit ihren Anliegen zu mir, und in der SV und im Schülerparlament können wir hier an der Schule wirklich etwas verändern“, berichtet Jan aus seinen Erfahrungen. Mit einer wöchentlichen SV-Pause, einer AG im Ganztag, Sprechzeiten im Büro, der jährlichen SV-Fahrt und vor allem den Klassenräten schaffen die SV und die Schule zahlreiche Gelegenheiten für die Schülerinnen und Schüler, sich einzubringen, mitzubestimmen und Demokratie zu leben.

Ein Eintrag ins Gästebuch und ein einmaliges Geschenk

Die Streicherklasse steht Spalier, um die Gäste zu ihrer nächsten Station zu leiten: Neben einer Büste von Georg Forster tragen sich die Besucherinnen und Besucher in das Gästebuch der Schule ein. Eine Schülerin  aus der Klasse 6a  verkleidet als Georg Forster, leitet die Gäste durch die Zeremonie. Damit nicht nur etwas von ihnen bleibt, sondern sie auch etwas von der Schule mitnehmen können, überreicht Schulleiterin Beate Derr ihnen dann das Gastgeschenk der Schule: Ein Bild, konzipiert und gemalt von einer Schülerin aus der  Klasse  6d und mit den Unterschriften aller fast 1.000 Mitglieder der Schulgemeinschaft.

Eine politische Fishbowl-Diskussion

Als nächstes steht eine Fishbowl-Diskussion auf dem Programm. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern diskutieren der Bundespräsident und die Ministerpräsidentin, ihre Ehepartner und die Bildungsministerin über die Frage, ob die Einführung einer Wahlpflicht gegen die allgemeine Politikverdrossenheit helfen könne. Als Einstieg in die Diskussion stellen sich die Gäste zusammen mit den Schülerinnen und Schülern auf einer Meinungslinie auf. Sie läuft von „Ja, es sollte eine Wahlpflicht gegen die Politikverdrossenheit eingeführt werden“ bis zur Gegenposition, und der Raum dazwischen bietet Platz für abgestufte Zwischenpositionen. Freudig machen die Gäste mit, und schnell ist eine lebendige Diskussion in Gange. Auch hier zeigt sich wieder, dass die Schülerinnen und Schüler keineswegs vor Ehrfurcht erstarren, sondern eloquent und mit Nachdruck ihre Meinung vertreten – auch wenn sie nicht immer der der Gäste entspricht. Neben der Wahlpflicht dreht sich die Diskussion auch um die Frage, ob die Politik die Interessen und Anliegen junger Menschen ausreichend berücksichtigt. „Es hat Spaß gemacht, mit dem Bundespräsident und den anderen Besucherinnen und Besuchern zu diskutieren“, freut sich Richard  im Anschluss. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie so engagiert und offen ihre Meinung sagen.“

Ein echtes Mittagessen in der Schule

Ein besonders authentisches Erlebnis erwartet die Gäste zum Mittagessen: Zusammen mit allen Ganztagsschüler*innen sowie Schülerinnen und Schülern der 5. und 6. Klassen konnten sie an liebevoll dekorierten Tischen das Mensa-Essen an der Schule testen. Der guten Laune tat das keinen Abbruch, und die Gäste tauschten sich entspannt und fröhlich mit den Schülerinnen und Schüler an ihrem Tisch aus.

Ein Foto mit den Gästen und allen Schülerinnen und Schülern

Nach dem Essen geht es in den kalten Schulhof, wo alle Schülerinnen und Schüler der Schule schon gespannt warten, bis sich die Gäste zum Gruppenfoto zu ihnen gesellen. Wieder haben weder die Gastgeber noch die Gäste Berührungsängste. Fröhlich winken alle zu den Kameras, und Schülerinnen und Schüler kommen ins Gespräch mit den Gästen. Das Gruppenbild mit dem Bundespräsidenten und seiner Ehefrau, der Ministerpräsidentin und ihrem Mann sowie der Bildungsministerin mitten unter den über 900 Schülerinnen und Schüler wird die Schule, da sind sich alle sicher, noch lange an diesen einmaligen Tag erinnern.

Ein freudiger Abschied

So schnell wie er begann, so schnell ist der Besuch auch vorbei. Auf dem Weg nach draußen lassen es sich die Gäste aber nicht nehmen, noch einen ungeplanten Stop am Buffet einzulegen. Ob sie noch hungrig waren oder die liebevoll arrangierten Speisen ihre Aufmerksamkeit erregt haben, ist zweitrangig: „Ich finde es toll, dass der Bundespräsident sich ungeplant die Zeit genommen hat, das Engagement der Schülerinnen und Schüler zu würdigen. Sie haben so viel Energie und Mühe in das Buffet gesteckt“, freut sich Silvia Demmerle-Kohn, die an der Schule u.a. Arbeitslehre unterrichtet, und ergänzt: „Ich hoffe, das bringt ihnen auch etwas für ihren Berufseinstieg. Wer kann schon sagen, dass er oder sie schon in der Schule das Catering für den Bundespräsidenten und 150 weitere Gäste gestaltet hat?“

Ein positives Fazit

Auch wenn der Besuch viel zu schnell vorbei war, freuen sich alle Mitglieder der Schulgemeinschaft über dieses einmalige Erlebnis. „Ich denke, der Besuch war so, wie sich der Bundespräsident den Tag gewünscht hat: Die Schule und Teilhabe lebendig zu erleben. Dafür war die Grundhaltung entscheidend, die unsere Schülerinnen und Schüler und unsere Kollegen haben: dass wir unsere Schule gut präsentieren wollen, dass wir Gäste immer sehr herzlich empfangen und dass wir auch zeigen wollten, wir sind eine demokratische Schule, in der alle ihren Teil leisten und beitragen.“ Auch die Schülerinnen und Schüler teilen diese Einschätzung:„Mit einem normalen Schultag hatte das heute nichts zu tun“, sagt Giovanna aus der 9. Klasse, „aber ich glaube, dass wir dem Bundespräsidenten und den anderen Gästen vieles von dem zeigen konnten, was wir im Schulalltag lernen: Unsere Meinung zu sagen, zu diskutieren, frei zu sprechen und uns zu engagieren.“

Das sehen auch die Gäste, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer nach ihrem Besuch verdeutlichte: „Die Schule ist ein tolles Beispiel für eine demokratische Lern- und Schulkultur. Indem sie ihre eigenen Erfahrungen machen, lernen die jungen Menschen am besten, dass sich Engagement auszahlt.“

Und so schnell, wie alles begonnen hat, ist es auch vorbei. Wieder packen alle mit an, um das nächste Highlight im Schuljahr vorzubereiten: Am nächsten Tag steht der Abigag des Abschlussjahrgangs an.